Sinnliche Forschung

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Visualthinking: Den psychologischen Code sichtbar oder hörbar machen

Verfahren der sinnlichen Forschung ermitteln Forschungsergebnisse in sinnlicher Form. Sie können den Befragten eine Bühne bieten, auf der sie auch Stimmungen ausdrücken können, die sich nur schwer in Worte fassen lassen. Mit sinnlichen Forschungsmethoden lassen sich die Vorstellungsbilder im Assoziationsraum der Konsumenten (Wünsche, Verheißungen, Gefahren und Ängste etc.) unmittelbar erfassen. Ist ein Produkt z.B. dann attraktiv, wenn es Romantik verheißt (z.B. Wein), lässt sich konkret ermitteln, wie die spezielle Art von Romantik im Bereich Wein für die Konsumenten aussieht (Welche Farbe hat sie, welche Form etc.) oder – in Form von Musik – klingt.

Diese Vorstellungsbilder und Anmutungen werden bereits in der Forschungsphase in Zeichnungen oder anderen sinnlichen Gestaltungen festgehalten, z.B. auch mit kurzen musikalischen Fragmenten.

Dialogisches Gestalten: ‚Innere Bilder‘ (oder sounds) werden im Dialog mit den Befragten in Skizzen festgehalten – ähnlich dem polizeilichen Phantomzeichnen. Die Befragten beschreiben ihre (Vorstellungs-) Bilder. Diese werden nach ihren Vorgaben vom Interviewer skizziert und so lange korrigiert, bis die Befragten sich darin wiederfinden. Die Befragten zeichnen oder musizieren nicht selbst.

Selbst gestalten: Die Befragten gestalten selbst. Sie erhalten eine Gestaltungsaufgabe und Gestaltungsmaterial

Dialogisches Gestalten, den Befragten selbst gestalten lassen oder gestaltete Vorlagen?

Vor- und Nachteile der Gestaltungsformen

Vorteile von Selbst gestalten lassen

  • Die Gestaltungen stammen unmittelbar aus den Vorstellungen der Befragten
  • Die Teilnehmer selbst müssen sinnlich denken und haben direkt die Möglichkeit, etwas sinnlich auszudrücken, das sie nicht beschreiben können (auch nicht dem Interviewer, sodass dialogisch nicht funktioniert)
  • Man kann in Gruppen die Teilnehmer einzeln gestalten lassen und hat Material zur Einzelauswertung (also auch von den stillen Teilnehmern)

Vorteile dialogisches Gestalten / Nachteile Selbstgestalten

  • Die meisten Menschen zeichnen nicht gerne und fühlen sich auch überfordert, wenn sie es sollen.
  • Ein Musikinstrument zu spielen, um Soundfragmente zu entwickeln, haben viele überhaupt nicht gelernt. Aus manchen Instrumenten holt man gar keinen Ton heraus, wenn man sich damit nicht auskennt.
  • Gestaltet der Befragte selbst und das Ergebnis ist jedoch weit entfernt von seinen eigenen Vorstellungen, dann kann das sehr frustrierend sein.
  • Es kommt bei den Zeichnungen und Soundfragmenten darauf an, dass sie auch Stimmungen und Gefühle ausdrücken können, z.B. Körperhaltung und Mimik von gezeichneten Personen, oder eine traurig klingende Melodie. Dafür muss man im sinnlichen Denken und der Umsetzung von Stimmungen und Gefühlen in Zeichnungen oder Musik geübt sein, d.h. man benötigt hier versierte Zeichner und Musiker.
  • Man erreicht ggf. nicht das Ziel der sinnlichen Forschung, nämlich die Vorstellungen so gut wie möglich zu erfassen.

Beim polizeilichen Phantomzeichnen funktioniert das Gestalten im Dialog weitaus besser, als würde der Zeuge – ein ungeübter Zeichner – das Gesicht des Täters selbst skizzieren. An dieser Erfahrung knüpft das dialogische Vorgehen in der sinnlichen Forschung mithilfe von geübten Zeichnern oder Musikern an.

Vor- und Nachteile von gestalteten Vorlagen (das können z.B. vorgefertigte Bild-, Farb-, Form-Kataloge sein, aus denen der Befragte etwas auswählt und kommentiert, z.B. 30 vorausgewählte Fotos für ein Werbedesign oder vorausgewählte Formen für Verpackungen oder Etiketten, siehe z.B. unten: Stilexploration und Bildkatalog)

Wichtig: Gestaltete Vorlagen dienen immer als Ausgangslage für eine nachfolgende Diskussion. Es geht hier also nicht um Abfragen, sondern darum, eine Diskussionsvorlage zu bieten

  • Größter Nachteil: die eigenen Vorstellungsbilder der Befragten sind obsolet, sobald sie mit Vorlagen konfrontiert werden. Sie werden von der vorgegebenen Auswahl beeinflusst
  • Eine Herausforderung ist es hier, die „richtige“ Vorauswahl zu bieten (z.B.: wenn man Fotos als Vorlage für Werbeplakate auswählt, sollten es einerseits nicht zu viele sein, andererseits aber das Spektrum der Möglichkeiten möglichst ausreizen). Die Vorbereitung des Materials – sowohl die richtige Auswahl, als auch die Erstellung – erfordert zudem eine hohe Versiertheit in Visual Thinking und Designkompetenz
  • Großer Vorteil: Es bietet Anregungen für die Teilnehmer, auf die sie von selbst nicht gekommen wären. Dadurch können Themen angestoßen werden, die bei der anschließenden Diskussion neue Impulse bieten können
  • Die Ergebnisse sind leichter vergleichbar
  • Auch hier ist eine Einzelauswertung möglich (s.o.)

Konklusion

Handelt es sich um eher einfache Aufgaben, für die keine besondere Kompetenz im Gestalten nötig ist, bietet sich das Selbstgestalten an, allerdings eher für Aufgaben, bei denen es nicht so sehr auf einen gelungenen Ausdruck ankommt, z.B. wenn es um eher abstrakte Formen und Farben geht. Ist der Befragte zufällig selbst im Zeichnen oder Musik geübt, kann man ihn jedoch immer selbst gestalten lassen.

Mit der richtigen Reihenfolge kann man die Vorteile aller Verfahren nutzen: zuerst ungestützt selbst gestalten lassen oder dialogisch. Vorlagen erst zu einem späteren Zeitpunkt einsetzen, um noch einmal neue Anregungen zu geben, nachdem die Teilnehmer bereits ihre eigenen Vorstellungsbilder eingebracht haben.

Im Austausch mit der wissenschaftlich-psychologischen Analyse werden die Rohbilder- oder sounds weiter bearbeitet. Sie werden gestalterisch verdichtet,  um den psychologischen Code in sinnlicher Form deutlich heraus zu arbeiten (siehe dazu auch Verfahren Phantomskribbling).

Die sinnliche Forschung setzt am Vorgehen der künstlerischen Forschung an, entspricht aber auch teils der typischen Vorgehensweise von Designern. Der Forschungsgegenstand wird nicht zuerst abstrakt-sprachlich übersetzt, sondern das Erforschen findet direkt am sinnlich Erfahrbaren statt. Man prüft im Alltag z.B. Dinge auf ihren Sinn und ihre Verwendungstauglichkeit, indem man sie anschaut (Was vermittelt es mir über seine Beschaffenheit / Anmutung?). Man vergleicht mit anderen Dingen (z.B.: Was sagt mir an einer Shampooflasche, dass sie „männlich“ ist und an einer anderen, dass sie „weiblich“ ist, sodass ich als Mann oder Frau spontan nach der passenden Flasche greife?). Künstler und Designer forschen, indem sie Dinge gestalterisch modifizieren, um anhand von Veränderung und Vergleich heraus zu finden, welche Gestaltungskomponenten für ihr Wesen ausschlaggebend sind.

Vorteile und Nachteile der sinnlichen Forschung

Vorteile:

  • Manchmal stoßen selbst ausführliche Beschreibungen an Grenzen, oder Befragte kommen nicht über stereotype Begriffe wie z.B. „Entspannung“ hinaus. Das liegt auch ua. daran, dass die verbale (Alltags-)Sprache nur über eine begrenzte Menge an Begriffen verfügt (etwa 75.000 Begriffe werden benutzt) und man daher für verschiedene Empfindungen denselben Begriff benutzen muss. Entspannung beim Fernsehen oder beim Tee trinken sind aber ganz andere Gefühle und Stimmungen. Indem man z.B. gemeinsam eine Landschaft zum Thema zeichnet, lassen sich die besonderen Anmutungen und Differenzen für die spezifische Form der Entspannung aufdecken.
  • Beschreibungen werden detaillierter und differenzierter, weil der Befragte nicht in allgemeingütigen Ausdrücken verbleiben kann. Er muss seine Eindrücke und Erfahrungen so konkret beschreiben, dass sie gezeichnet werden können.
  • Der Assoziationsraum, an den die Ideen andocken müssen, verbleibt nicht in stereotypen Begrifflichkeiten, sondern wird konkret sichtbar / erlebbar.
  • Die meisten Befragten sind im sinnlichen Ausdruck ungeübter als in der sprachlichen Selbstdarstellung. Dadurch lassen sich Rationalisierungen besser aushebeln und unbewusste Motive zeigen sich in den Bildern oft deutlicher als in den verbalen Äußerungen.
  • Der Übergang zur Innovations- und Designentwicklung wird erleichtert, wenn die relevanten unbewussten Zusammenhänge bereits in sinnlicher Sprache vorliegen. Man weiß jetzt nicht nur, dass ein neues Produktdesign dann erfolgreich ist, wenn es „Romantik“ verheißt, sondern auch, welche Farbe diese Romantik hat und wie es als Musik klingt. Hier kann man direkt mit der Gestaltung von Grafik- oder Sounddesign ansetzen.
  • Darüber hinaus werden die Ergebnisse der sinnlichen Forschung auch unmittelbar für die Visualisierung genutzt, siehe Menüpunkt Visualisierung.

Nachteile:

Praktisch lassen sich die Verfahren nur durchführen, wenn der Zeichner oder Musiker den Konsumenten selbst Fragen stellt. Er muss also auch in der psychologischen Interviewtechnik ausgebildet sein, oder umgekehrt: Der Forscher muss zeichnen oder komponieren können, benötigt sozusagen eine Doppelkompetenz.

Verfahren

Im Folgenden eine Liste möglicher Verfahren der sinnlichen Forschung. Alle vorgestellten Verfahren sind als Werkzeuge zu verstehen, die den gesamten Prozess erleichtern und verbessern können. Werkzeuge sind (austauschbare) Hilfsmittel im Dienst der gesamten InsightArt Philosophie und nicht schon als die Philosophie selbst zu betrachten.

Phantomskribbling kann je nach Fragestellung zusätzlich zur psychologischen Exploration eingesetzt werden, z.B. innerhalb von psychologischen Tiefeninterviews. Man muss dafür keine eigenen Forschungssettings bemühen, sondern es lässt sich – mit wenig zusätzlichem Zeitaufwand – in den Prozess eines Tiefeninterviews integrieren. Beim Phantomskribbling werden ‚innere Bilder‘ im Dialog mit den Befragten in Skizzen festgehalten – ähnlich dem polizeilichen Phantomzeichnen, siehe oben. Es können Vorstellungsbilder skizziert werden, die sich stärker an realen Gegebenheiten orientieren (Erinnerungsbilder, Wahrnehmungsbilder) als auch Fantasiebilder, die durch Imaginationen angeregt werden, z.B.:

  • a) Stellen Sie sich eine Landschaft vor, die dem Gefühl / der Stimmung entspricht, mit der Sie abends einen Film im Fernsehen schauen.
  • b) Stellen Sie sich eine Landschaft vor, die dem Gefühl / der Stimmung entspricht, mit der Sie an Ihrem Computer im Internet recherchieren.

Man kann dann die Landschaften der verschiedenen Befragten zum Fernsehen vergleichen und herausfinden, ob und was hier ähnlich ist. Man kann auch die Landschaften zum Fernsehen mit den Landschaften zur Internetrecherche vergleichen und heraus finden, wie sich die Stimmungen beim Fernsehen von denen bei der Internetrecherche unterscheiden.

Je nach Forschungsziel können verschiedene Aufgaben zielführend sein:

  • Landschaften
  • Familie (z.B. Medienfamilie: verschiedene Medien als Familienmitglieder einer Familie)
  • 3 Bilder: früher, heute, morgen
  • Welt, die nur aus Produkt besteht (bzw. wo Produkt Vorherrschaft hat) / Welt ohne Produkt
  • Rahmenbild (z.B. TV-Serie im Rahmen, Werbeblock als Bild)
  • Product-Placement: Filmszene, in der die Bewerbung eines Produktes am besten passt
  • Siedlung (Fans des Produktes wohnen in einer selbst gestalteten Fan-Siedlung. Wie sieht diese aus?)
  • Utopie / Dystopie
  • Planet, andere Lebensform (z.B. Coca Cola: der Coca Cola Planet mit den Cocacolerianern)
  • etc.

Dadurch können unbewusste Zusammenhänge sichtbar gemacht werden. Außerdem wird der Übergang zur Kreation (z.B. Produkt- und Verpackungs- oder Werbedesign) erleichtert, da die Ergebnisse schon in der Bildsprache von z.B. Designern vorliegen.

Analyse

Die Analyse der Bilder wird in einem gestalterischen Verdichtungsprozess vorgenommen. Es werden z.B. die Arten der auftauchenden Personen, Szenen, Landschaften, Gegenstände, die Spannungen in den Kompositionen, die Dynamik, die Betrachterperspektive etc. der Einzelbilder analysiert und zu einer Art prototypischem Bild fokussiert, das dann neu gezeichnet wird. Das Ergebnisbild zeigt dann den Assoziationsraum Einzelfall-übergreifend, indem hier einerseits die Gemeinsamkeiten der Bilder der einzelnen Befragten heraus gearbeitet wurden und andererseits die Unterschiede bezüglich unterschiedlicher Themen (s.o. Beispiel Fernsehen / Internetrecherche).

Unten sieht man zwei Bilder aus dem Analyseprozess.

Analyse der häufig auftauchenden Gegenstände in den einzelnen Bildern

Analyse der Bewegungsdynamik in den einzelnen Bildern

Phantomskribbling ist inzwischen zu einem unserer Standardverfahren geworden. Der Einsatz in vielen Projekten hat bereits über tausend Skribbles hervor gebracht. Das Verfahren eignet sich auch deshalb besonders gut, weil es kaum zusätzlichen Zeitaufwand benötigt.

Beim Co-Design wird gemeinsam mit Konsumenten in z.B. Visionsanalysen ein mögliches Design entworfen, z.B. ein Produktdesign, ein Werbeplakat-Design oder ein Webseitendesign etc. Diese Entwürfe werden dann analysiert, um durchgängige Geschichten oder Szenen, stilistische Eindrücke, Keyvisuals etc. zu ermitteln, die häufig genutzt werden. Man kann hier auch erkennen, ob die Zielgruppe mit Humor angesprochen werden möchte, oder nicht, oder ob das Produktdesign eher schlicht oder eher opulent sein sollte. Die Bilder dienen der Inspiration für die professionelle Designentwicklung.

Anstelle eines Wunschplakates kann auch ein Antiplakat entwickelt werden. Dabei werden oft die Dinge sehr deutlich heraus gestellt, die den Konsumenten am meisten stören, beängstigen oder ärgern.

Geht es um 3 dimensionale Produktdesigns kann man auch gemeinsam mit den Befragten Entwürfe zeichnen oder auch Modelle bauen (ansonsten ähnlich wie Co-Design, siehe dort).

Das gestaltet sich jedoch oft vom Material-, Werkzeugaufwand und der Bearbeitungskompetenz her schwierig. Daher werden hier gerne einfache Baumaterialien genutzt, z.B. Legosteine. Mit diesen lassen sich jedoch runde Formen nicht realisieren. Das geht wiederum mit Knete. Knete ist als typisches Material aus dem Kindergarten jedoch stark mit dem Beigeschmack „Basteln für Kinder“ behaftet. Man kann auch Ton benutzen oder Knet-Sand (sieht aus wie Sand, lässt sich aber wie Knete bearbeiten). Auch Balsaholz und Draht und Alufolie können sich eignen.

Eine andere Möglichkeit ist es, es bei skizzierten Entwürfen zu belassen. Dann fehlt jedoch die Haptik und oft fällt es schwer, sich aus der Zeichnung einen 3-dimensioanlen Gegenstand vorzustellen. Eine weitere Möglichkeit ist das Arbeiten mit einem 3D-Programm, sofern es sich nicht um zu komplexe Formen handelt (Das Modellieren dauert sonst zu lange). Bei manchen 3D-Programmen lassen sich mit bestimmten Funktionen Veränderungen wie Skalieren, Biegen, Drehen aber auch relativ schnell bewerkstelligen und es könnte dann praktikabel sein, wenn man z.B. eine Verpackungsform nur leicht verändern / optimieren möchte. Der Vorteil ist, dass man hier auch verschiedene Materialien und Farben ausprobieren kann, inklusive der Darstellung eines Etiketts.

Die 3D Entwürfe lassen sich von der eher groben Version aus der Exploration in eine verfeinerte Konstruktion ausarbeiten – das Co-Design liefert hier beste Vorlagen, und mit einem 3D Drucker ausdrucken. Die 3D Ausdrucke können dann noch einmal als realer Gegenstand/haptisches Modell (mit dem Nachteil, dass hier i.d.R. das Material „Kunststoff“ ist, da sich andere Materialien schwerer drucken lassen) an Konsumenten getestet werden. 3D Druck ist leider (noch) zeitintensiv, man kann es nicht „on the fly“ während einer Co-Creation Gruppe durchführen. Man kann aber – mit zeitlichem Abstand der Co-Creation-Gruppen, die Entwürfe vorheriger Gruppen als 3D Ausdrucke in nachfolgende Gruppen einbringen.

Storyskribbling ist eine Erweiterung des Phantomskribblings. Statt einzelner Zeichnungen werden Abläufe in mehreren aufeinander folgenden Skribbles (Storyboard) festgehalten.

Es eignet sich für Fragestellungen, bei denen Abläufe, Verfassungen und Entwicklungen erfasst und verstanden werden sollen. Beispiele sind ritualisierte Produkt-Verwendungen, Tagesabäufe, Medien-Rezeptionsverläufe oder psychische Mikro-Dramaturgien (Einkaufen, Zubereiten, Essen, Kauen, Lutschen etc.), aber auch Orientierungs-, Entscheidungs-, Kauf- oder auch Kündigungs-Prozesse.

Beispiel: In einer Kündigerstudie wurden neben der verbalen Exploration zu den Kündigungs-Gründen die jeweiligen ‚Kündigungs-Dramen‘ als Storyboard geskribbelt. Dies zeigte die eigentlichen emotionalen Kündigungsursachen hinter den rationalen verbalen Beteuerungen.

Die Storyboards können sich je nach Fragestellung stärker an den realen Situationen orientieren oder im Rahmen einer Imagination erfolgen (z.B. das Erleben während der Rezeption als Reise durch eine fiktive Landschaft)

Kreativer Prozess als Abenteuergeschichte mit Indiana Jones

Storygaming

Als Variante zum Storyskribbling wird ein virtuelles Spielbrett / Spielumgebung im Dialog mit den Befragten gestaltet. Welcher Art sind die Wege eines z.B. Informations-, Entscheidungs-, oder Kaufprozesses? Welche Hindernisse, aber auch Hilfestellungen gibt es an welcher Stelle?

Sounds, Geräusche und Musik eignen sich besonders gut, um Stimmungen, Rezeptions-Verfassungen, Verwendungs-Dramaturgien, Produkt- und Marken-Qualitäten oder Lebensgefühle zu erfassen und erlebbar zu machen.

Ein Bespiel zum Thema Mediennutzungs-Verfassung kann man sich hier anhören: Beispiel

Kurze musikalische Fragmente werden – analog dem Phantomskribbling – in einfachen Übungen und im Dialog mit den Befragten entwickelt, teils direkt am Keyboard und mit einem Soundprogramm.

Die Auswertung erfolgt auch hier im Austausch mit der psychologischen Analyse. Die in Gruppen oder Interviews gesammelten Sound-Skribbles werden analog der Bild-Analyse verdichtet und daraus eine neue Gesamtkomposition entwickelt, die den psychologischen Code hörbar macht.

Soundskribbling kann je nach Fragestellung auch in Kombination mit Phantom- oder Storyskribbling sinnvoll eingesetzt werden und wird dann zum Filmskribbling. Es fügt dann den Beschreibungen und Bildern eine Art ‚emotionale Textur‘ hinzu. Soundskribbling kann direkt zu einem Erkenntnis-Mehrwert führen und schwer beschreibbare Qualitäten deutlicher fassen.

Im Beispiel oben wurden die Befragten gebeten, Begriffe in einfachen, abstrakten Formen oder Strukturen auszudrücken. Man kann es auch farbig gestalten, indem sich die Befragten einen Farbstift heraus suchen.

Im linken Bild war die Aufgabe, ein Familien-Wappen zu gestalten.

 

 

Was man bei der Auswertung der Zeichnungen beachten sollte: Wie groß jemand eine Zeichnung auf die Bildfläche platziert und ob er eher kräftig aufdrückt oder leicht, ist eine Eigenschaft des Charakters (wurde im Rahmen der Kunsttherapie untersucht) und hat i.d.R. nichts mit dem Thema zu tun.

Man kann Menschen ohne weiteres fragen, welche Farbe für sie „Sicherheit“ hat oder welche Form „Gemütlichkeit“. In der Regel bekommt man eine spontane Antwort und die Menschen sind über eine solch merkwürdige Frage erstaunlich wenig verwundert. Sagt man, jemand sei „zerstreut“ oder ein Mensch sei „kantig“ oder man fühlt sich „blue“, stecken die sinnlichen Qualitäten, oder „Gestaltqualitäten“ genannt, schon im Begriff. Die Fähigkeit bzw. Eigenart von Menschen, sinnlich zu denken, kann man sich in der Forschung unmittelbar zunutze machen.

  • Man lässt Befragte z.B. abstrakte Formen mit oder ohne Farbe zeichnen
  • Die Aufgabe kann auch lauten: Entwickeln Sie ein abstraktes Logo / ein Emblem für eine Eigenschaft oder ein Gefühl oder eine bestimmte Produktgruppe, etc. (hier gibt es fließende Übergänge zur Stilexploration, s.u.)
  • Man kann sich auch von den abstrakten Formen mehr entfernen und die Teilnehmer passende Symbole zeichnen lassen

Mit konkreten Symbolen zu arbeiten kann den Nachteil haben, dass die Befragten eher etwas zeichnen, das sie kennen und es keine symbolische Bewandtnis hat, z.B. ein Symbol für Fernsehgucken: ein Fernseher. Das hat dann für die Auswertung wenig Nutzen. Es kann aber hilfreich sein, wenn man nach Keyvisuals sucht, oder z.B. wenn man Schaltflächen für eine Webseite gestalten möchte und man sucht nach Ikons, die die Nutzer schnell zuordnen können. Besser funktioniert es mit den Symbolen, wenn man abstrakte Begriffe – wie z.B. „Zuversicht“ oder „Vertrauen“ symbolisch darstellen lässt, für die es keinen konkreten Gegenstand gibt. Manche abstrakten Begriffe funktionieren aber auch nicht, weil sie schon ein Symbol besitzen, das jeder kennt, z.B. Liebe = Herz.

Natürlich kann man die Befragten auch dreidimensionale Objekte gestalten lassen. Das ist nur aufwändiger, kann aber mitunter den Befragten leichter fallen, weil sie die Dreidimensionalität nicht zeichnen müssen, siehe dazu auch oben: Co-Modelling. Beim Modelieren kann es auch interessant sein, die Befragten dabei zu beobachten, wie sie mit dem Material umgehen (eher vorsichtig, eher forsch). Dabei kann es sich um eine individuelle Eigenart des Menschen handeln, siehe auch Hinweis links. Es kann sich aber auch zumindest um einen Ausdruck der Umgangsform (siehe Analyse) handeln.

Diese Gestaltungen lassen sich nicht nur für die Analyse nutzen, denn man kann hier oft erstaunliche Übereinstimmungen bei verschiedenen Befragten feststellen, sondern sie können direkt in die Designentwicklung einfließen.

Manche Produkte  besitzen auch eine Art Lebewesen-ähnliche Gestalt mit Mimik und Gestik. Warum man mit einem Kleinwagen wie einem Renault Twingo auf der Autobahn oft von BMWs von der Überholspur gedrängt wird, erklärt sich schon, wenn man sich die „Gesichtsausdrücke“ der Autotypen anschaut.

Auch die Dinge selbst und der Umgang mit ihnen können ‚befragt’ werden. Phänomenskribbling ist ein Vorgehen, das direkt dem künstlerischen Prozess entlehnt ist. Viele Produkte und Angebote besitzen durch ihre Anmutung (Form, Farbe, Dynamik, Material) schon einen Charakter mit bestimmten Eigenschaften, z.B.: hart, konfus, dynamisch, elegant etc. Ein Gegenstand kann auch schüchtern wirken oder arrogant oder mächtig, also Eigenschaften, die man sonst eher Lebewesen zuweisen würde. Dinge / Produkte legen durch ihr Aussehen oft auch schon eine bestimmte Verwendungskultur nahe, z.B. einen zart-filigran gestalteten Gegenstand behandelt man eher vorsichtig, ein grobschlächtig und stabil wirkender signalisiert hingegen eher, dass man damit kräftig umgehen muss.

Phänomenskribbling ist immer ein wertvoller zusätzlicher Input, um den Charakter / Ausruck von Produkten oder Designs zu ermitteln. Es sollte grundsätzlich in die psychologische Analyse mit einfließen – muss jedoch immer durch empirische Verfahren abgesichert werden.

Ebenso sind die beobachtbaren Umgangsformen sichtbare Hinweise auf verdeckte Haltungen und unbewusst wirksame Bilder, siehe psychologische Forschung: Beobachtung. Die Beobachtung lässt sich daher auch gut mit sinnlichen Mitteln unterstützen. Wenn es erlaubt ist: Film drehen oder fotografieren, um es sich später noch einmal genau anzuschauen. Ist dies nicht erlaubt oder möglich, kann man vom beobachtetem Verhalten der Menschen im Umgang mit Produkten auch Skizzen anlegen.

Die Befragten sammeln im Vorfeld einer Befragung Kultur-Proben, z.B. einen symbolischen Gegenstand zum Thema der Befragung, Zeitungsartikel, Fotos mit typischen Alltagsszenen oder Aufnahmen mit dem Smartphone.

Erfahrungsgemäß sind die Befragten (z.B. einer Aktivgruppe) dann schon stärker in das Thema involviert. Zudem zwingt eine ‚Hausaufgabe‘ dazu, sich jenseits der Gruppendynamik zunächst alleine mit dem Thema zu beschäftigen (Beispiel: „Bringen Sie einen Gegenstand mit, der für Sie Nähe bedeutet“).

In einer erweiterten Form des Verfahrens können die Befragten auch weiter reichende Aufgaben erhalten und als Co-Forscher ihre eigene Erfahrungswelt erforschen und schriftlich oder in Form von Photos und Gegenständen dokumentieren.

In der Stilexploration wird ermittelt, welche Formen, Farben etc. ein Befragter einer bestimmten Eigenschaft zuweist, z.B.: Wie sieht das Etikett eines Produktes aus, das sich als „romantisch“, „leicht“, „traditionell“ oder „billig“ positioniert?

Die Befragten stellen sich ein passendes Design nach ihren Vorstellungen aus einer Art Baukasten zusammen. Dabei werden verschiedene Vorlagen vorgegeben, z.B. verschiedene Formen von Etiketten, bei denen noch zusätzlich die Möglichkeit besteht, sie individuell einzufärben, verschiedene Oberflächenstrukturen zu wählen und verschiedene Schriftarten etc. Man sollte dabei aber auch immer zusätzlich Fragen stellen: Warum wurde gerade diese Form oder Farbe gewählt? Was verbinden Sie damit und woran erinnert Sie das etc.?

Am einfachsten funktioniert die Stilexploration, wenn man sie in einem Computerprogramm durchführt, bei dem die Möglichkeit besteht, Formen, Farben etc. schnell zuweisen und verändern zu können.

Im Bild sieht man Ergebnisse aus einer Studie. Links die Etiketten, die von den Befragten für „romantische“ Produkte gestaltet wurden, rechts für „sachlich-praktische“ Produkte. „Romantik“ scheint fast für alle Teilnehmer rot zu sein und die Formen sind viel verspielter als bei „sachlich-praktisch“.

Ähnliches lässt sich auch für Produktdesigns durchführen. Hier kann man ggf. mit einem 3D Programm arbeiten, in dem sich die Formen on the fly verändern lassen.

Bildkataloge sind vorgefertigte Beispiele für Fotos, Farben, Symbole, Formen etc. Sie werden den Befragten vorgelegt. Ein Bildkatalog kann z.B. mehrere Seiten haben: auf der einen Seite werden Farben gezeigt, aus denen die Befragten passende auswählen sollen, auf einer weiteren Seite Symbole oder Fotomotive. Die Befragten wählen die für sie passenden Fotos, Formen oder Symbole etc. nach einer bestimmten Fragestellung aus, z.B.: „Welches Foto würde Sie dazu veranlassen, sich mehr mit dem Thema zu beschäftigen?“, oder: „Welche der vorgegebenen Farben drückt für Sie die passende Stimmung am besten aus?“. Es können Bewertungspunkte vergeben werden und Kommentare hinzugefügt, sodass man hier auch eine Auswertung von einzelnen Teilnehmern einer Gruppe vornehmen kann.

Die Bildkataloge sind eine Art Kompromiss aus den Vor- und Nachteilen der Verfahren, bei denen die Befragten frei selbst gestalten, und „klassischen“ Designtests (den Befragten werden z.B. 3-5 Designrouten für ein Werbedesign vorgelegt). Der Nachteil der Bildkataloge ist, dass man hier keine freie Exploration der Vorstellungs- und Erinnerungswelten der Teilnehmer durchführt, sondern sie mit vorausgewählten Bildvorlagen manipuliert. Man sollte diese Aufgabe daher erst zu einem späteren Zeitpunkt durchführen, nachdem die Befragten ihre eigenen Vorstellungsbilder bereits gestaltet bzw. veräußert haben.

Der große Vorteil ist: Man kann nicht grundsätzlich überschwengliche Fantasie erwarten, wenn man Menschen nach ihren eigenen Vorstellungsbildern befragt. Oft werden hier auch visuelle Stereotype reproduziert: Die Teilnehmer beschreiben als ihr eigenes Vorstellungsbild ein Bild, das sie tatsächlich aus der Werbung adaptiert haben und daher fraglich ist, ob es „ihr eigenes“ zu nennen ist. Mit einem Bildkatalog kann man weitere Anregungen geben, die aus den Stereotypen heraus führen. Man gibt den Befragten Inspiration für weitere Möglichkeiten, wie etwas gestaltet sein könnte, auf die sie selbst nicht gekommen sind.

Das erfordert jedoch eine gute Vorbereitung. Für einen Bildkatalog braucht es Vorrecherche, sowie Kompetenz in Visual Thinking und Designpsychologie. Im Konzept der Kataloge muss möglichst eine große Variation an Fotos, Farben, Symbolen geboten werden, aber man kann den Befragten auch nicht 100 Fotos vorlegen/zumuten, also muss die Auswahl gleichzeitig möglichst begrenzt werden. Das erfordert, sich schon im Vorfeld zu überlegen, welche Ausprägungen wichtig für ein Thema sein könnten, z.B. Fotomotive, die schöne Verheißungen darstellen, oder vor Gefahren warnen. Humor oder Sachlichkeit, Gruppenszenen oder Einzelpersonen. Die Herausforderung ist hier, mit möglichst wenigen Bildern ein möglichst großes psychologisches Spektrum abzudecken.

Wichtig ist, dass die Auswahl der Befragten in den Gruppen oder Interviews im Anschluss intensiv besprochen wird: Was wurde aus welchen Gründen ausgewählt oder abgelehnt? Wie genau war die Wirkung eines Symbols oder Fotos aus dem Katalog auf die Befragten? Was verbindet man mit der Farbe oder dem Symbol, das man als „passend“ oder „geht gar nicht!“ oder „langweilig, nichtssagend“ ausgewählt hat? Die psychologische Gesamt-Analyse muss dann aufdecken, inwiefern die Ablehnung eines Fotomotivs ernst zu nehmen ist, oder auf eine Abwehrreaktion hinweist, die das Fotomotiv gerade wegen der negativen Bewertungen zum attraktiven Kandidaten macht. Die Bildkataloge sollten also immer in den psychologischen Gesamtkontext eingebunden werden und können dann wertvollen input liefern.

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